Begleite Fortsetzungsromane bei ihrer Entstehung!
 
< 7 Kompliziert


8 Chance

 Nachdem ich nun in Erfahrung gebracht hatte, dass Dions Bruder Aaron für die Kreation der landestypischen Gerichte am Buffet verantwortlich war, ließ ich es mir nicht nehmen, alle Speisen zu probieren. Stella und Dave schauten zwar etwas sparsam, als ich immer wieder mit Miniportionen auf meinem Teller an meinen Platz zurückkehrte, aber ich wollte mir unter keinen Umständen zu viel nehmen, sodass durch meine Gier eventuell etwas verkommen musste.

Dion hatte nicht zu viel versprochen. Alles schmeckte mir hervorragend und ich begann zu erahnen, wie viel Liebe und Leidenschaft Aaron in sein Handwerk zu investieren schien. Nach mehreren Gängen meldete sich mein Magen und behauptete, lediglich für das Dolce noch Platz zu haben. Na fein, dann würde ich mich jetzt dem Tiramisú und dem Zitronensorbet zuwenden, was mich vorhin schon angelacht hatte.
Beherzt schnitt ich mir ein großzügiges Stück aus dem Tiramisúblech heraus und legte mir dann eine zartcremige Kugel vom Sorbet daneben. Mein Dessertteller sah schon fast dreist aus, aber bei solchen Süßspeisen konnte ich einfach nicht widerstehen.
Stella und Dave hatten bereits die Tanzfläche neben dem unglaublich schönen Blumenpool erobert und genossen eng umschlungen ihre Zweisamkeit. Nach dem aufwühlenden Gespräch mit Dion war es mir ganz recht, mit meinem Dessert alleine zu sein und über das nachzudenken, was mir nun bevorstand.
Viel Zeit mit Dion.
Einem Mann, der sich im Moment noch hinter vielen Geheimnissen verbarg, die ich unbedingt lüften wollte. Auf der einen Seite reizte mich seine kognitive Vielseitigkeit. Ich liebte die Herausforderung und erhoffte mir, dass er mir neue Denkanstöße geben konnte, wie ich in Zukunft mit meinem Leben und mir selbst umgehen wollte.
Auf der anderen Seite... nun, hier kam dann eher meine primitiv denkende Seite auf ihre Kosten. Sofern das noch mit Denken zu tun hatte. Ich spürte erneut nach, wie er mit seinen Händen meine genommen und auf der Stelle tiefe Ruhe in mir geschaffen hatte. Wie er zuvor mit einer einfachen Frage mein Gedankenkino so sehr angekurbelt hatte, dass mir heiß und kalt gleichzeitig geworden war.
Schnell warf ich einen Blick zurück und stellte erleichtert fest, dass mein Bruder und Stella nach wie vor mit sich beschäftigt waren. Wie wäre es wohl, mit Dion dort so zu tanzen? In seinem Arm zu liegen, seine Hand an meinem Gesicht zu spüren, mein Herzklopfen, wenn sie sich vielleicht in meinen Nacken legte. Der Moment, wenn seine Lippen den meinen näherkamen... Gott, ich wollte wissen, wie ein mysteriöser Mann mit Geld wie Heu, einem Verstand wie Einstein und einem Körper wie Adonis küsste!
Eigentlich gehörte ich nicht zu den Frauen, die nur an das Eine dachten und leicht zu haben waren. Oh nein, weit gefehlt! Aber ich konnte mich nicht dagegen wehren, dass es sich bei Dion so merkwürdig richtig anfühlte.
"Oh, wow! Welcher Gedanke bereitet dir denn gerade so intensives Vergnügen?"
Scheiße, den Engel hatte ich für heute Abend gar nicht auf dem Radar gehabt! Ertappt blickte ich ihm ins amüsierte Gesicht und stellte fest, wie ich ungeniert am kleinen Sorbetlöffel herumgeleckt hatte. Offensichtlich war das für Angelo ein äußerst vielsagender Anblick gewesen. Mit geröteten Wangen warf ich den Löffel zurück auf den Teller und widmete mich schnell meinem Wasserglas, während Angelo sich auf Stellas leerem Stuhl niederließ.
"Was machen die Kopfschmerzen?", wollte er wissen und warf bedeutungsvoll einen Blick zum Pinienwald, hinter dem leise das Meer rauschte und wo ich mir gestern noch so elegant die Kante gegeben hatte. Ich nickte und begann, mit dem Löffel zwischen den Fingern zu spielen.
"Es tut mir Leid, Angelo. Das gestern Abend... Das ist so überhaupt nicht meine Art. Aber ich war so durcheinander. An dem Tag ist so viel passiert, was ich nicht verstanden habe."
"Hm", machte Angelo und legte nachdenklich den Kopf schief. "Was denn zum Beispiel?"
"Ich...", begann ich, unterbrach mich aber gleich und studierte sein Gesicht. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass er mich nicht verstehen würde, sobald ich von abstrakten Gedanken über das Leben begann. Könnte er damit umgehen, wenn ich ihm offenbarte, dass gerade Dion mich mit seiner Sicht auf die Dinge reizte? Dass das Komplizierte für mich attraktiv war, was er nicht nachvollziehen konnte?
"Lass gut sein", wehrte ich ab. "Ich mache mir gerade einfach ziemlich viele Gedanken."
Scheinbar zufrieden mit der Antwort lächelte Angelo, erhob sich und streckte eine Hand nach mir aus. "Möchtest du tanzen?", fragte er und seine braunen Augen strahlten noch mehr Wärme und Gutmütigkeit aus, als ich das bisher von ihm kannte. "Du siehst heute so umwerfend aus, da kannst du nicht hier sitzenbleiben."
Wie süß war das denn bitte? Natürlich würde ich tanzen, nach so einer charmanten Einladung. Und auf andere Gedanken zu kommen, wäre jetzt sicherlich auch keine schlechte Idee.
Nachdem ich Angelos Hand ergriffen hatte, führte er mich durch die anderen tanzenden Paare hindurch an den Rand der Tanzfläche. Die Musik war hier etwas gedämpft, sodass wir ohne uns anzustrengen noch miteinander sprechen konnten. Angelo legte seine Hände an meine Hüften und zog mich sanft an sich heran. Ich fand es sehr angenehm und genoss das Gefühl, jetzt gerade einfach nur im Moment zu sein und alle Gedanken vorerst beiseite schieben zu können. Meine Wange ruhte an seiner Schulter, während wir uns langsam zur Musik bewegten, und ich bewunderte die ruhig schwimmenden Kerzen und Blumen auf dem Wasser.
Nach einer Weile ließ Angelo eine Hand über meinen Rücken hinaufwandern und umfasste fest meine Schultern. Es wirkte so beschützend und liebevoll, ganz und gar nicht so einengend, wie mir Dave manchmal das Gefühl gab. Ja, auf Dauer wünschte ich mir auch jemanden in meinem Leben, der mir Sicherheit und Wertschätzung bieten konnte.
Mann, konnte ich nicht einfach mal locker den Moment genießen, ohne mir sofort ernsthafte Zukunftsgedanken zu machen? Wo war die lustige lockere Franka geblieben, die hier und da gerne mal ein bisschen mit dem Feuer spielte und ein paar heiße Flirts mitnahm? Das hier, so unentspannt und verklemmt, war nicht die einzige Facette, die ich zeigen konnte. Ich war doch so viel mehr!
Ich löste mich ein wenig von Angelo und unsere Blicke begegneten sich. Er nahm eine meiner Haarsträhnen zwischen zwei Finger und spielte verträumt mit ihr herum, während er mich weiter ansah. Auf einmal schien ihn ein Gedanke sehr glücklich zu machen, denn er lächelte selig.
"Woran denkst du?", erkundigte ich mich. Er beobachtete aufmerksam seine Finger, um die er immer wieder meine Haare kreisen ließ.
"Ich fahre bald mit zwei Freunden aufs Land zu meiner Familie", erzählte er. "Und gerade habe ich mir vorgestellt, wie es wäre, wenn du mitkommen würdest."
Ich hielt in der Bewegung zur Musik inne und zwang ihn dadurch, ebenfalls stehenzubleiben. "Wie kommst du darauf?"
Angelo seufzte und warf einen fast schon scharfen Blick zu Dion hinüber, der sich gerade an der Bar mit Aaron unterhielt und uns nicht aus den Augen ließ. Dann wandte er sich mir wieder zu und der goldene Schimmer in seinen Augen wurde wieder weich.
"Ich will nicht lügen, Franka. Du hast gerade einige Momente mit Dion verbracht und ich bin mir nicht sicher, ob dieser Mann dir guttut."
Wie bitte?
Was er da gerade gesagt hatte, machte mich ein bisschen sauer. Er kannte mich überhaupt nicht und hatte mich bisher auch wirklich nicht in meinen Sternstunden erlebt. Woher wollte er nun wissen, was gut für mich war? Die einzige, die darüber Bescheid wissen musste, war doch ich selbst. Obwohl ich gerade zugegebenermaßen auch keinen Dunst hatte, was ich eigentlich wollte.
"Angelo..."
"Bevor du etwas sagst", unterbrach er mich mit sanftem Ton, "alles worum ich dich bitte, ist eine Chance."
Ich verstand nur Bahnhof. "Eine Chance?"
Angelo nickte. Er strich mir mit einem Daumen über meine Wange, mit der anderen Hand umfing er meine Hüfte. "Du faszinierst mich, Franka, und ich möchte gerne mehr über dich wissen. Wer bist du? Lass uns einfach eine wunderbare Zeit zusammen haben und eine Weile alles vergessen."
Meine Gefühle fuhren Achterbahn. Verzweifelt versuchte ich, meine Schmetterlinge im Bauch um Rat zu fragen, aber die waren immernoch high und sahen nur bunte Farben. Offensichtlich hatte ich sie schlecht erzogen.
Nüchtern betrachtet war die Antwort eigentlich klar. Dion hatte mich zuvor eingeladen und ich hatte ihm zugesagt, obwohl ich ihn genausowenig kannte wie den italienischen Engel hier, der mich nun auch um eine Gelegenheit bat, miteinander Zeit zu verbringen. Es wäre nur fair, ihm das zu ermöglichen, oder nicht? Hatte er nicht genauso seine Chance verdient? Außerdem war ich ihm wirklich dankbar für alles, was er bisher für mich gemacht hatte. Erst seine süße Hilfe nach meinem Flipflopunglück und dann noch menschgewordenes Taxi, als ich zu nichts mehr fähig war. Zum Glück hatte ich ihm wenigstens nicht noch die Füße vollgekotzt!
Nachdem ich nun eine Weile nachdenklich geschwiegen hatte und mein Blick ziellos umhergeirrt war, nickte ich nun entschlossen und lächelte ihn an. "Sag mir wann und wo", verkündete ich.
Angelo schien erst nach einigen Sekunden zu realisieren, was ich gerade gesagt hatte. Es dauerte einen unerträglichen Moment lang, bis er schließlich über das ganze Gesicht strahlte.
Ich seufzte, denn ich wusste, dass ich ein verdammt hartes Stück Arbeit vor mir hatte. Und ich würde dazu unbedingt Stellas Hilfe benötigen.


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